Peinlichkeit des Genderns

Nachdem sie bereits bei extra3 in kurzen Segmenten Kommentatoren aus den asozialen Netzwerken in Form von Gedichten antworten durfte, hat Sarah Bosetti nun offenbar eine eigene kleine Sendung. Vermutlich habe ich die ersten beiden Staffeln nur nicht mitbekommen — von verpaßt will ich nach meinem ersten Eindruck nicht mehr reden. Die Sendung ist in der ZDF-Mediathek allen Ernstes unter der Rubrik Kabarett empfohlen worden. Aber da wird in Deutschland ja ohnehin einiges sprachlich in einen Topf geworfen und manch Comedian zum Kabarettisten hochstilisiert. Außerdem hat Frau Bosetti vermutlich nicht zu verantworten in welcher Rubrik ihre Sendung landet, also sei’s drum.

In ihrem knapp siebenminütigen Monolog über die Peinlichkeit des Wahlkampfs (Titel “Bundestagswahl: Peinlichkeit des Wahlkampfs” vom 2021-09-10), den ich geschaut hatte um einen ersten Eindruck von dem Format bzw. der Sendung zu bekommen, werden von den zur Bundestagswahl zur Auswahl stehenden 53 Parteien ganze drei von ihr erwähnt. Gut, man mag die Unions-Parteien mit dem abhandengekommenen C als zwei betrachten, aber 1.) tritt die CSU nur bayernweit an, die CDU dafür dort gerade nicht und 2.) kämen wir auch mit vier Parteien nicht einmal auf 10% der antretenden Parteien. Damit ist Frau Bosetti natürlich ganz auf Linie des ÖRR, denn schon am Triell, welches man auch ohne bescheuerte Wortwahl oder krampfig implizite Angabe der Anzahl an Teilnehmern als “Schlagabtausch” hätte bezeichnen können1, nahmen schließlich auch nur Frau Baerbock, Unsympath Laschet und die wandelnde Erinnerungslücke Scholz teil. Andere Parteien existieren quasi nicht. Ach doch, im “Schlagabtausch Vierkampf” des ZDF, in dem gleich zu Anfang gelogen wird, da versprochen wird die anderen im Bundestag vertretenen Parteien zu Wort kommen zu lassen, Die PARTEI2 aber kackdreist fehlt3. Der Einheitsbrei der am Triell teilnehmenden Parteien — thematisch als auch von deren Positionierung im politischen Spektrum — nervt einfach nur.

Aber kurz nach der Hälfte des Videos nimmt sie Markus Söder auf’s Korn. Mal schauen:

Markus Söder hat vor kurzem auf Twitter geschrieben: “Noch nie war die Gefahr so groß, dass ein Linksbündnis die Macht übernimmt”. Vor lauter Aufregung hat er “die Macht übernimmt” geschrieben, obwohl er “gewählt wird” meinte.

Gerade wer Worte gern und oft auf die Goldwaage legt, wie Frau Bosetti, sollte vielleicht noch einmal den Unterschied zwischen Machtergreifung und Machtübernahme nachschlagen. Zwar halte ich Söders Attacken gelinde gesagt für polemisch-populistisch, aber für was hält Frau Bosetti denn den Wechsel von einer gewählten Regierung zur nächsten in unserer sogenannten repräsentativen Demokratie? Üblicherweise spricht man von einer Machtübergabe. Da scheint es nicht sehr befremdlich, wenn der Empfänger die Macht übernimmt, oder? Geben und Nehmen halt. Aber hey, Machtergreifung und Machtübernahme kann man ja schonmal verwechseln, um im Duktus von Frau Bosetti zu bleiben 😉

Ab Minute 5:38 wird es dann bizarr:

Die Kanzlerkandidatinnen sollten sich in Disziplinen messen, die im Alltag Relevanz haben. […]

Pardon, Frau Bosetti, so entlarvend die Tatsache ist, daß zwei der Kanzlerkandidatinnen — oder waren es Kanzlerkandidat:innen und ich habe den unausgesprochenen Doppelpunkt überhört? — männlich sind, so entlarvend ist diese verkrampfte Form des Genderns. Wobei sich mir schon beim Wort “Gendern” regelmäßig die Fußnägel kräuseln. Kurz davor spricht sie noch von “Erzieherinnen und Erziehern”. Alles wunderbar, kann man so machen, auch wenn Männer ganz klar im Beruf unterrepräsentiert sind und daher vielleicht nicht in gleichem Maße eine Erwähnung wert sind wie ihre Kolleginnen4.

Vor lauter Aufregung sagt Frau Bosetti “die Kanzlerkandidatinnen” (mit oder ohne Doppelpunkt spielt eigentlich keine Rolle), obwohl sie “die Kanzlerinkandidatin und die Kanzlerkandidaten” meinte5.

Doppelt gemoppelt? Stimmt: Frau Baerbock ist bereits bei “Kanzlerkandidaten” repräsentiert, warum sie also nochmals Kanzlerkandidatin (und dann noch im Plural) nennen? Nun, gerade Teile der Grünen bemühen sich ja redlich dem Rest der Bevölkerung diese sprachlich falsche Extrawurst aufzunötigen. Und der ÖRR macht in großen Teilen bereits mit. Ohne jegliche gesellschaftliche Debatte, ohne jegliche Bemühung der Konsensfindung innerhalb der Gesellschaft. Außerhalb der eigenen Filterblase gibt es ja im Grunde auch nur alte weiße Männer (anti-rassistischer Fachbegriff!) und Nazis6. Daß Sprache sich sehr wohl auf das Denken auswirkt wird eher als Grund für diese einseitig eingeführte Gender-Sprachregelung mit dem Doppelpunkt gewertet, als dagegen.

Ohnehin, warum sagte Frau Bosetti fälschlicherweise “Kanzlerkandidatinnen” wenn doch Frau Baerbock klar Kanzlerin werden will und sie damit eine Kanzlerinkandidatin ist? Das verwirrt mich jetzt! Schreiben Sie mir doch einfach ein Gedicht Frau Bosetti, falls Sie das hier überhaupt jemals zu Gesicht bekommen7 😉

// Oliver

  1. Ich sehe übrigens gerade, während ich diese Zeilen schreibe, daß die Bezeichnung “Schlagabtausch” offenbar für das ZDF deren Format der “zweiten Reihe” reserviert war. []
  2. Offenlegung: ich bin seit einigen Jahren Mitglied. []
  3. Ja, liebe Moderatoren des ZDF: die Wortwahl ist auch hier wichtig. Wenn ihr Fraktionen meintet hätte die Union in Form der “CS”U eben nicht nochmal an dieser Veranstaltung teilnehmen dürfen. Aber wenn ihr Parteien meintet, fehlt nunmal ganz klar mindestens Die PARTEI. Siehe auch Wikipedia. []
  4. Im Vor-Genderismus-Deutsch; also ausschließlich weibliche Erzieher. []
  5. Ach Quatsch: Frau Bosetti ist — laut Wikipedia — schließlich Satirikerin. Die hat das Wort mit Kalkül so benutzt und auch Machtergreifung und Machtübernahme auch nicht verwechselt … []
  6. … und Leute die begriffen haben, daß dieses identitätspolitische Genderblabla und diverse andere Auswüchse — die auf’s Konto der Generation Beleidigt gehen — mit links so wenig zu tun haben wie die SPD von 2021 []
  7. Ich möchte es jedoch bezweifeln. Aber ohnehin erlaubt weder extra3 noch Ihr Sendeformat, Frau Bosetti, eine direkte Gegenrede. Also können wir es auch lassen. Denn wer vom Recht zur freien Meinungsäußerung Gebrauch macht, muß bekanntlich auch mit der Gegenrede umgehen können. Andererseits sind Monologe und ansonsten Debatten innerhalb der eigenen Filterblase halt auch einfach besser für die eigene seelische Gesundheit. []
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