Mediale Schlachtbank

Zugegeben, Claus Weselsky kommt für mich nicht gerade als der Obersympath rüber; ähnlich geht es mir aber auch bei diversen Politikern – zuvorderst unsere rautengeübte Bundeshypnotiseurin.

Es ist aber eigentlich nicht so wichtig, ob er sympathisch rüberkommt, sondern ob das Anliegen, welches er als Bundesvorsitzender der GDL verfolgt, gerechtfertigt ist. Und das ist es ja wohl.

Leider wird in den Medien immer ungebührlich gekürzt, sogar bei den sogenannten öffentlich-rechtlichen Medien1 – und die finanzieren sich doch über Gebühr :mrgreen:

Die Streiks betreffen, gerade in den Großstädten, viele Menschen. Sollen sie ja auch. Das Problem ist nur: wie soll man als GDLer für sein Anliegen werben, wenn man von den Interviewpartnern immer unterbrochen wird und dadurch als patziger Zeitgenosse wahrgenommen wird?

Solidarität ist eine Vokabel aus Vorzeiten. Ich habe noch keine einzige Wortmeldung eines prominenten SPD-Mitglieds mitbekommen die sich explizit nicht nur für das Recht zu streiken, sondern auch für die Ziele der GDL ausgesprochen wird. Warum? Nun, die Währungen im Regierungsviertel – und dort tummeln sich besagte SPDler ja derzeit – sind eben € und Wählergunst. Da kann man mit ausdifferenzierten Argumenten keinen Staat machen.

Die GDL will nicht nur Lohnerhöhungen erstreiken, sondern lehnt vor allem das geplante Tarifeinheitsgesetz (siehe hier) grundlegend ab. Aus gutem Grund übrigens. Die großen Gewerkschaften sind die zahmsten Gewerkschaften, denn deren Funktionäre arbeiten schon längst nicht mehr nur im Sinne Ihrer Mitglieder, sondern mindestens auch im Interesse der Arbeitgeber – wenn nicht gar ausschließlich in deren Sinn. Wohl ein Problem eines jeden Machtapparates.

Ironie des Schicksals – oder besser gesagt Indikator für die Verkommenheit der modernen SPD – der Entwurf des Tarifeinheitsgesetzes wurde von einer SPD-Ministerin vorgelegt.

Eine Verabschiedung2 des geplanten Tarifeinheitsgesetzes wird noch vor der Sommerpause erwartet. Das wissen auch die Granden der Deutschen Bahn und setzen ganz klar auf eine Verzögerungstaktik. Bisher mit Erfolg. Man täusche ein Entgegenkommen an und spiele danach seinen Gegner in der nächsten Pressekonferenz aus. Hervorragende Taktik – zumindest wenn man danach geht wie der Querschnitt der nicht repräsentativ befragten Bahnreisenden reagiert. Da wird nicht auf die Bahn geschimpft, sondern auf Claus Weselsky und die GDL.

Daran läßt sich auch schon gut erkennen, daß die Bahn – sicherlich die erfahrenere Partei in Medienangelegenheiten – nicht auf eine sachliche Diskussion aus ist. Sobald eine Sachdiskussion auf die persönliche Ebene heruntergezogen wird, darf man davon ausgehen, daß mindestens eine Streitpartei unlauter argumentiert; insofern man das dann noch als Argumentation und nicht als schmutzige mediale Rufmordkampagne auffassen möchte.

Dabei sollte man nicht aus den Augen verlieren, daß die BRD der Mehrheitseigner der Deutschen Bahn ist. Eigentlich sollte man meinen, daß die DB-Granden entsprechend auch im Interesse des Volkes und nicht ausschließlich im Sinne der politischen Eliten und ihrer Aktionäre handeln – aber das ist nunmal das Problem mit der vollzogenen Privatisierung der DB. Profit wird oberstes Gebot.

Die Streiks und die dahinterstehenden Forderungen sind jedenfalls im Sinne aller Lohnarbeiter. Ob das jene am unteren Rand des Einkommensspektrums sind oder in der Mitte oder ganz oben: Lohnarbeit bleibt eine Form der Ausbeutung. Gewerkschaften werfen sich auf Seiten der Lohnarbeiter in die Waagschale; und Forderungen einer Gewerkschaft die objektiv den Mitgliedern dieser Gewerkschaft – und im aktuellen Fall durch den Kampf gegen das Tarifeinheitsgesetz – allen Lohnarbeitern zugutekommen, sollten die Unterstützung aller Arbeiter finden.

Eine Schwächung von Gewerkschaften geht alle Lohnarbeiter an. Der Zustand zu welchem uns hinbewegen wenn wir uns nicht auf Solidarität zurückbesinnen, kann in den USA betrachtet werden. Der Tag der Arbeit ist dort nicht – wie international – der 1. Mai, weil man Angst hatte das Datum würde an das Haymarket Massacre, welches sich im kommenden Jahr zum 130. Mal jährt, erinnern. Das Haymarket Massacre war seitens der Herrschenden zugleich Rechtfertigung und Auftakt zu einem Kampf gegen die Arbeiterbewegung im Allgemeinen und die Gewerkschaften im Besonderen.

Und so wurden scheibchenweise die Gewerkschaften und ihre Glaubwürdigkeit über einhundert Jahre demontiert bis US-Präsident Ronald Reagan in den 1980ern den Gewerkschaften den endgültigen tödlichen Stoß verpassen konnte.

Heute wird man mehrheitlich Lohnarbeiter antreffen welche der Meinung sind Gewerkschaften seien nur etwas für faule Arbeiter. Allein in den Gegenden in denen Arbeiter von NAFTA am stärksten negativ betroffen sind, mag man hin und wieder in Erinnerungen an Gewerkschaftszeiten schwelgen.

In diesem Sinne, und mit bereits heruntergeschraubten Erwartungen an die Bereitschaft zu Solidarität und die Reichweite eines solchen Aufrufes: Lohnarbeiter Deutschlands vereinigt euch.

Daß die Mehrheit von uns am Samstag nicht mehr arbeiten muß, ist übrigens den Gewerkschaften zu verdanken.

// Oliver

  1. mundsprachlich: Staatsrundfunk []
  2. und damit ist nicht “tschüß und weg” gemeint []
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