Die Pathologisierung der Nichtwähler: “Die Stadt blutet finanziell aus”

Das ist der Grund den der Leiter des SWR-Studio Ludwigshafen Hartmut Reitz als hauptverantwortlich sieht für die Politikverdrossenheit.

Immer wieder putzig, wie man mit der Wortwahl — Politikverdrossenheit — gleichzeitig behauptet und pathologisiert. Dabei könnte es sich ja, rein hypothetisch natürlich, um Politikerverdrossenheit handeln. Es soll ja Leute geben die sehr politisch sind, aber nicht mit der Art und Weise d’accord gehen, mit welcher Politiker regelmäßig abheben oder sich abfällig über deren Sorgen und Ängste äußern … oder die mittlerweile eher für andere Länder Politik machen als für das eigene …

Naja, und dann wäre da natürlich noch der Ausschluß eines AfD-Kandidaten von just jener OB-Wahl, welche Herr Reitz kommentiert. Sicher hat er nichts von diesem Ausschluß mitbekommen, weshalb er keine Erwähnung im Kommentar findet. Das konnte er aber auch nicht wissen, weil er vermutlich von diesem obskuren Medienhaus Namens SWR noch nie etwas gehört hatte!

Jedenfalls konnte man dort lesen:

Anfang August hatte der Wahlausschuss der Stadt Ludwigshafen die Bewerbung des AfD-Politikers Joachim Paul für die Oberbürgermeisterwahl zurückgewiesen. Der Grund: Es gebe Zweifel an seiner Verfassungstreue.

Der Wahlausschuss hatte sich nach eigenen Angaben auf Informationen des Verfassungsschutzes gestützt, der in einem elfseitigen Schreiben an die Stadt Ludwigshafen Erkenntnisse über den Koblenzer Landtagsabgeordneten zusammengetragen hatte. Darin werden unter anderem Pauls Kontakte in rechtsextreme Kreise erwähnt.

Das wissen viele überhaupt nicht, daß das passive Wahlrecht neuerdings auch basierend auf Hörensagen und nicht nur durch Richterspruch oder Vorstrafe verlieren kann. Vielleicht hätte hier Herr Reitz noch einmal einhaken können, denn das sind ja quasi Breaking News, wie man im anglophonen Sprachraum sagen würde. Konnte er ja aber, wie geschrieben nicht, da ihm diese Information sicherlich nicht vorlag. Schade.

Auch die überraschend hohe Anzahl von ungültigen Stimmen im Vergleich zur vorherigen Wahl wird dem geneigten Zuschauer lieber verschwiegen. Konnte ohnehin keiner ahnen.

Es könnte ja auch zu Fragen und Unmut führen, wenn herauskäme, daß viele der ungültigen Stimmen oberhalb des üblichen Grundniveaus jene waren wo Wähler aus Protest den Namen des AfD-Kandidaten auf den Wahlzettel schrieben. Wo kämen wir denn bitteschön hin, wenn jeder Wählen könnte was er wollte! Oder wenn auch nur eine Unterscheidung zwischen Nichtwählern, zu doofen Ungültigwählern und bewußten Protest-Ungültigwählern 1 ermöglicht würde?! Oder eine Nein-Stimme: im Sinne von “keine der oben zur Wahl stehenden Optionen”? Bitte nicht. Herrn Reitz’ diagnostizierte Politikverdrossenheit würde so zu einer meßbaren und vor allem verortbaren Größe. Das kann kein “echter Demokrat” wollen!

Im oben verlinkten SWR-Stück, von welchem Herr Reitz nix weiß, steht auch:

Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ist unanfechtbar. Zwischenzeitlich hat auch der Verfassungsgerichtshof in Koblenz eine Beschwerde Pauls abgewiesen: Sie sei nicht ausreichend begründet, teilte ein Sprecher am Mittwoch mit.

Jetzt weiß ich nicht genau was in der Begründung des AfD-Kandidaten stand. Eigentlich ist es aber irrelevant, da hier der Wahlausschuß offenbar basierend auf Hörensagen — “Informationen des Verfassungsschutzes” — einen Ausschluß des AfD-Kandidaten vom passiven Wahlrecht beschlossen hat, der ansonsten nur durch Richterspruch oder temporär aufgrund einer Straftat eintreten dürfte. Sollte diese klare Tatsache nicht ausreichen, selbst bei überdurchschnittlich schlechter Begründung, zu erkennen, daß hier das verfassungsrechtlich verbriefte Wahlrecht eines Bürgers ausgehebelt wurde? Aber vielleicht gilt das ja für AfD-Kandidaten nicht und es steht nur in Fußnoten im GG, welche nur gegen entsprechende Gebühren einsehbar sind?

Wenn abseits von § 45 StGB und § 13 BWahlG — welches zumal scheinbar nur für bundesweite Wahlen zu gelten scheint — das Wahlrecht entzogen werden kann, dann handelt es sich nicht um ein Wahlrecht, sondern ein Wahlprivileg. Jede Stimme zählt! Daß ich nicht lache! In der Vergangenheit fühlte man sich allenfalls als bewußter Nichtwähler oder Protest-Ungültigwählern verschaukelt. Nach dieser Posse dürfen sich AfD-Wähler zurecht ebenfalls verschaukelt fühlen … wieder ein Argument mit dem die AfD bei kommenden Wahlen punkten wird.

Man muß kein AfD-Fan sein um diese Hintertreibung des Rechtsstaates und die damit einhergehende Untergrabung etablierter demokratischer Prinzipien scheiße zu finden.

Umgekehrt muß ich die verkorksten Einlassungen der AfD-Fans auch nicht dufte finden. Insbesondere diese unreflektierte Hetze gegen sogenannte — oder sich selbst so nennende — Linke geht mir gehörig auf den Sack. Selbst die sich so nennende Partei vertritt kaum mehr klassisch linke Positionen. Und wenn von links-grün versifftem Milieu die Rede ist, wird es komplett bizarr. Was an den Positionen der Grünen ist denn bitte links? Links aus Sicht von ganz rechts außen? Klar! Aber links von der Mitte? Ganz sicher nicht.

// Oliver

  1. auch hier[]
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