Eine Anmerkung zum vorangegangenen Blogbeitrag:
Ich denke aber auch, daß es (das BGE) gerade in einem Land wie Deutschland kaum eine Chance auf Einführung hat.
In den Jahrzehnten seit den “Samstags gehört Vati mir”-Kampagnen in der BRD hat sich beispielsweise nichts in Sachen Wochenarbeitszeit getan. Und das wäre nicht das einzige Thema. Gewerkschaften haben auch nicht mehr den Biß von einst.
Ein angemessen hohes BGE 1 würde extrem in die Machtverhältnisse zwischen sogenannten Arbeitgebern 2 und sogenannten Arbeitnehmern 3 eingreifen. Und zwar zuungunsten der sogenannten Arbeitgeber. Plötzlich ergäben sich interessante Konstellationen die auch zu einer Neuverhandlung von Arbeitszeiten und deren Flexibilität führen dürften.
Angesichts der vielfach beschworenen vielfach gesteigerten Produktivität in all den Jahrzehnten seit den “Samstags gehört Vati mir”-Kampagnen, wäre dies nur recht und billig. Von der Digitaldividende haben wir da noch nicht geredet. Die Idee dahinter ist – grob gesagt – daß mechanisierte Arbeit ebenbürtig zu menschlicher Arbeit besteuert wird und dies als Dividende an jene ausgeschüttet wird die – um es mit Marx zu sagen – keine Produktionsmittel ihr eigen nennen.
Plötzlich würde man sich nicht mehr die Standpauke einer Führungskraft, die nicht führt und ihre Richtungslosigkeit so kaschiert, mehrfach antun. Da die Existenz nicht durch den Verlust des Arbeitsplatzes bedroht ist, könnten die sogenannten Arbeitnehmer freier wechseln oder würden vielleicht eher einer – zusätzlich zum BGE – schlecht entlohnten Arbeit lieber nachgehen als einer gut entlohnten ohne jegliches Sicherungsnetz, bei der sie aber eimerweise Kröten schlucken müssen.
Daß die sogenannte Mittelschicht schon seit Jahren kaum mehr Rücklagen bilden kann, Mietpreise explodieren und die Höchststeuersätze schon seit Ewigkeiten von immer mehr Normalverdienern gezahlt werden – weil die Steuerregelungen nicht an die Inflation angepaßt wurden – hatte ich schon erwähnt?
Menschen die Arbeit – gesellschaftlich relevante Arbeit – verrichten würden plötzlich überhaupt erst einmal dafür entlohnt. Seien das die vielen Freiwilligen in Vereinen und anderswo oder die Mutter welche den Haushalt schmeißt und vielleicht auch die Kinder erzieht. Da Renten entfallen und durch ein BGE ersetzt würden, käme es auch nicht zu Ungerechtigkeiten bei den Rentenansprüchen solcher Mütter (Stichwort: Steuerklassen in der Ehe).
Lustigerweise sagt – je nach Umfrage in verschiedener Verteilung – die Mehrheit, daß unsere Gesellschaft nicht dafür bereit sei. Man selbst sei zwar bereit weiterhin zu arbeiten anstatt auf der faulen Haut zu liegen, aber nimmt von den anderen an, daß dies nicht der Fall sei.
Da trieft diese überkommene lutherische Arbeitsmoral aus allen Poren, die endlich auf den Müllhaufen der Geschichte entsorgt gehört und welche Müntefering – SPDler aus den Jahrzehnten vor dem zweiten Weltkrieg rotieren dabei so schnell in den Gräbern, daß sie die Lösung der Klimakrise bieten könnten – einst so schön auf den Punkt brachte: “Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen” […] “Nur wer arbeitet, soll auch essen.”. Dieser Dummschwätzerei halte ich entgegen:
Das Problem ist nicht allein Arbeit. Sogar Sklaven hatten Arbeit. Das Problem ist Einkommen.
Aber das müßte einer erstmal dem Arbeitsminister und ähnlichen Figuren verklickern. Viele würden wohl liebend gern ein paar Wochen daheim in Quarantäne bleiben, wenn dadurch nicht die Existenz der Familie dadurch gefährdet wäre, weil – sofern man nicht Homeoffice in Anspruch nehmen kann – das Einkommen wegbricht.
Nein, mit der aktuellen Lobby und unseren “Christen” in den Schaltzentralen der Macht ist eine Weiterentwicklung unserer Gesellschaft nicht denkbar. Stattdessen gelten die marktradikalen Ideen der Mont Pèlerin Society als unantastbares Heiligtum aktueller Politik.
// Oliver
- Nein, beim BGE geht es gerade nicht um einen Mindestlohn oder ähnliches … und ja, es gibt durchaus ungeklärte Fragen wie zum Beispiel jene danach ob ein solches BGE nicht regional angepaßt werden müßte [↩]
- Eigentlich gibt die heutzutage Arbeitgeber genannte Gruppe ja die Arbeitsstelle, die Arbeit gibt der sogenannte Arbeitnehmer und bekommt dafür Geld. Angemessener wäre also der Begriff Geldgeber, oder meinetwegen Brotgeber, für das was heute landläufig als “Arbeitgeber” bezeichnet wird. [↩]
- Der sogenannte Arbeitnehmer ist eigentlich eher ein Geldnehmer, bzw. der eigentliche Arbeitgeber. Denn die Arbeitsleistung – kurz Arbeit – wird immer von dieser Seite erbracht. Wie asozial – im Wortsinn – unsere aktuelle Umgangssprache ist, erkennt man allerdings schon an anderen Stellen. Besonders einprägsam ist die Bezeichnung “asozial” und die Abwandlung davon: “Asi”. Hiermit werden nicht etwas die im Wortsinne asozial handelnden Bürger oder Firmen bezeichnet, sondern sozial Schwache und ohnehin schon stigmatisierte Personengruppen. Steuerhinterzieher sind eigentlich asozial. Man könnte also gewisse Promis als Asis bezeichnen, aber doch bitte nicht die alleinerziehende Mutter welche Hartz IV beziehen muß um über die Runden zu kommen. [↩]