Die Enzyklika “Spe salvi” …

… und ein paar Erwiderungen.

41. Im großen Credo der Kirche schließt der Mittelteil, der das Geheimnis Christi von der ewigen Geburt aus dem Vater und von der zeitlichen Geburt aus Maria der Jungfrau über Kreuz und Auferstehung bis zu seiner Wiederkunft behandelt, mit den Worten: “Er wird wiederkommen in Herrlichkeit, zu richten die Lebenden und die Toten.” Der Ausblick auf das Gericht hat die Christenheit von frühesten Zeiten an als Maßstab des gegenwärtigen Lebens, als Forderung an ihr Gewissen und zugleich als Hoffnung auf Gottes Gerechtigkeit bis in das alltägliche Leben hinein bestimmt.

Die Aussicht auf “das Gericht” ist ein Machtinstrument ziemlich weltlicher Machtmenschen der kirchlichen Hierarchie(en)! Nichts ist besser als Angst, um Menschen zu kontrollieren. Ob das die Angst vor Terror oder vor dem letzten Gericht ist.

Der Glaube an Christus hat nie nur nach rückwärts und nie nur nach oben, sondern immer auch nach vorn, auf die Stunde der Gerechtigkeit hingeblickt, die der Herr wiederholt angekündigt hatte.

“Der Herr” hätte vielleicht seinen Anrufbeantworter vor hunderten von Jahren anlassen sollen – aber vielleicht ist “er” ja auch nur verschieden und hat es daher versäumt den Anrufbeantworter anzustellen. Immerhin hat sich “der Herr” seit rund zweitausend Jahren – will man der kirchlichen Geschichtsschreibung glauben – nicht mehr bei seinen Vertretern gemeldet. Dabei würden moderne PR-Maßnahmen ala UFO-Landung in einem Sportstadion oder Auftritt bei Illner & Co. doch den Glauben direkt wieder anheizen. Besser noch, wenn daß ganze wiederum mit ein paar schrecklichen Prophezeiungen vom Ende der Welt gewürzt wird.

[…] In der Entwicklung der Ikonographie des Gerichts ist dann freilich immer stärker das Drohende und Unheimliche des Gerichts hervorgetreten, das die Künstler offenbar mehr faszinierte als der Glanz der Hoffnung, die von der Drohung wohl oft allzu sehr verdeckt wurde.

Das wird wohl nicht nur den Künstlern so gegangen sein, immerhin war es ja eine ängstigende Aussicht. Vielleicht dünkte man sich besonders fromm indem man den Schrecken so gut wie nur möglich darstellte und so mehr Menschen in die “Arme der Kirche” trieb. Davon abgesehen ist selbst heute noch in Kirchenkreisen der Gruppenzwang sichtbar und für ein in frühen Jahren mit Religion indoktriniertes Kind wird es in der Entwicklungsphase des freien Willens kein leichtes sein dem Gruppenzwang innerhalb der Familie oder auch der Kirchengemeinde und den eingetrichterten Ideen aus früher Kindheit zu widerstehen.

42. In der Neuzeit verblaßt der Gedanke an das Letzte Gericht: Der christliche Glaube wird individualisiert und ist vor allem auf das eigene Seelenheil ausgerichtet; die Betrachtung der Weltgeschichte wird statt dessen weitgehend vom Fortschrittsgedanken geprägt.

… ein absolut widerlicher Gedanke, der ja in direktem Widerspruch zu den in der Bibel beschriebenen Szenen im Garten Eden stehen, wo das Menschenpaar nach dem Genuß vom Baum der Erkenntnis aus dem Paradies verwiesen wird.

Dennoch ist der tragende Gehalt der Gerichtserwartung nicht einfach verschwunden. Er nimmt nun freilich eine ganz andere Form an. Der Atheismus des 19. und des 20. Jahrhunderts ist von seinen Wurzeln und seinem Ziel her ein Moralismus: ein Protest gegen die Ungerechtigkeiten der Welt und der Weltgeschichte.

Wer eine “Gerichtserwartung” und den Atheismus im gleichen Absatz so verwurstet, hat den Atheismus absolut nicht verstanden. Es gibt einen einfacheren und ganz auf Logik basierenden Grund für Moral: was ich nicht will, daß man mir antut – tu ich andern auch nicht an.

Beispiel: ich will nicht, daß mich Popen und Laien zu indoktrinieren versuchen und versuche es eben selbst auch nicht bei ihnen. Logik, Erkenntnis und Wissen ist ja nun auch nicht das beste Argument gegen Glauben.

Eine Welt, in der ein solches Ausmaß an Ungerechtigkeit, an Leid der Unschuldigen und an Zynismus der Macht besteht, kann nicht Werk eines guten Gottes sein. Der Gott, der diese Welt zu verantworten hätte, wäre kein gerechter und schon gar nicht ein guter Gott. Um der Moral willen muß man diesen Gott bestreiten. So schien es, da kein Gott ist, der Gerechtigkeit schafft, daß nun der Mensch selbst gerufen ist, die Gerechtigkeit herzustellen.

Faszinierender Schluß aus obiger Wurstmasse, aber leider für viele moderne Atheisten danebengegriffen. Aber zumindest die Aussage, daß der Mist, den wir aktuell in den Nachrichten und direkt um uns herum sehen, tatsächlich schwerlich von einem “guten Gott” stammen kann, entbehrt einer gewissen Logik nicht. Allerdings, das habe ich bereits im Schulalter erfahren, sind Popen und auch Laien um keine Ausrede verlegen und schieben das dann alles auf eine “Prüfung Gottes”.

Ist ja klar, liebe katholische (und andere) Sektierer, daß alles nur eine “Prüfung” ist. Besonders pikant im Zusammenhang mit der lange in der katholischen Kirche ungelösten Frage, was mit ungetauften Kindern passiere (Stichwort: “limbus puerorum”) … tja, liebe verhungernde “Negerkinder”, ist alles nur eine “Prüfung”. Aber weil wir schon bei afrikanischen Kindern sind, soll die menschen- und lebensverachtende Ideologie der katholischen Kirche auch nicht verschwiegen werden, die vielen tausenden afrikanischen Kindern im Jahr HIV ab Geburt verschafft. Tja, ist eben auch nur eine “Prüfung” … mit jungfäulicher Geburt wäre das nicht passiert!

Wenn der Protest gegen Gott angesichts der Leiden dieser Welt verständlich ist, so ist der Anspruch, die Menschheit könne und müsse nun das tun, was kein Gott tut und tun kann, anmaßend und von innen her unwahr.

Faszinierende Aussage. Basiert die auf Wissen? Mir fehlen hier irgendwie die logischen Zusammenhänge! Aber verschwurbelte Ausdrücke gehören ja zu den Spezialitäten von Theologen.

Daß daraus erst die größten Grausamkeiten und Zerstörungen des Rechts folgten, ist kein Zufall, sondern in der inneren Unwahrheit dieses Anspruchs begründet.

Mir fehlen hier die Quellennachweise. Irgendwie ist das wie bei der Bibel und dem anderen Schmarrn – ohne Glaube auch kein Quellennachweis. Dumm nur, daß sich logisch denkende Menschen von solchem Geschwafel nicht einlullen lassen werden. Übrigens, auch ganz weltliche “Führer” beriefen sich bekanntlich auf Gott. Mal sehen wie man das nun auf den Atheismus abwälzen kann …

Eine Welt, die sich selbst Gerechtigkeit schaffen muß, ist eine Welt ohne Hoffnung.

Meines Erachtens nach, ist in etwa das Gegenteil der Fall. Warum? Weil der Mensch nur ohne Angst wirklich frei ist und die monotheistischen Weltreligionen (Judentum, Christentum, Islam) genau auf Angst als Machtmittel setzen. Eine Ethik die ohne solcherlei Drohungen auskäme, wäre eine viel größere Hoffnung für die Mehrheit der Menschen.

Niemand und nichts antwortet auf das Leiden der Jahrhunderte. Niemand und nichts bürgt dafür, daß nicht weiter der Zynismus der Macht, unter welchen ideologischen Verbrämungen auch immer, die Welt beherrscht.

Mit knapp zweitausend Jahren “am Steuer”, müßt ihr im Vatikan das mit “der Zynismus der Macht” ja am besten wissen.

Horkheimer hat radikal bestritten, daß irgendein immanenter Ersatz für Gott gefunden werden könne, zugleich freilich auch das Bild des guten und gerechten Gottes abgelehnt.

Die Frage wäre, ob wir einen Ersatz brauchen.

[…]
43. Von der strengen Bildlosigkeit her, die zum ersten Gebot Gottes gehört (vgl. Ex 20, 4) kann und muß auch der Christ immer wieder lernen.

Zum Beispiel, ob man Gott besser mit weißem Bart und Haar darstellt, oder ob er sich in seinem Alter die Haare färbt.

Die Wahrheit der negativen Theologie ist vom 4. Lateran-Konzil herausgestellt worden,

In diesem Satz war ein Schreibfehler versteckt. Haben Sie ihn entdeckt?

Richtig! Es muß “beschlossen” statt “herausgestellt” heißen.

das ausdrücklich sagt, daß zwischen dem Schöpfer und dem Geschöpf keine noch so große Ähnlichkeit festzustellen ist, daß nicht zwischen ihnen eine immer noch größere Unähnlichkeit bliebe.

Jetzt war ich fast drauf und dran die Bibel aufzuschlagen und zu zitieren. Da es aber um meine Lesekenntnisse des Hebräischen und Aramäischen zu schlecht bestellt ist (sprich: sie existieren nicht) und ich ohnehin nur eine deutsche Übersetzung der Bibel besitze, lasse ich das mal sein und beschränke mich auf die einfache Frage: wurde “der Mensch” nicht nach dem Ebenbild Gottes geschaffen? Steht das nicht so oder so ähnlich in der “Genesis”?

Dennoch kann die Bildlosigkeit für den Glaubenden nicht so weit gehen, daß er – wie Horkheimer und Adorno meinten – im Nein zu beiden Behauptungen, zum Theismus und zum Atheismus stehenbleiben müßte. Gott hat sich selbst ein “Bild” gegeben: im menschgewordenen Christus.

… und eben ein paar Jahre davor im menschgewordenen Adam 😆

In ihm, dem Gekreuzigten, ist die Verneinung falscher Gottesbilder bis zum äußersten gesteigert. Nun zeigt Gott gerade in der Gestalt des Leidenden, der die Gottverlassenheit des Menschen mitträgt, sein eigenes Gesicht.

Ich möchte höchst untertänig daran erinnern, daß die Trinität – oder Dreieinigkeit – Gottes (Vater, Sohn, hl. Geist) ein Beschluß des ersten Konzils von Nicäa war/ist – eine Doktrin. In der Wissenschaft nennt man sowas ein Postulat und es gilt bis zum Nachweis seiner Ungültigkeit und dient als Basis für weitere Modelle. Glücklicherweise droht einem glaubensgestützten Modell ein solcher Nachweis ohnehin nicht.

Dieser unschuldig Leidende ist zur Hoffnungsgewißheit geworden: Gott gibt es, und Gott weiß, Gerechtigkeit zu schaffen auf eine Weise, die wir nicht erdenken können und die wir doch im Glauben ahnen dürfen. Ja, es gibt die Auferstehung des Fleisches. Es gibt Gerechtigkeit. Es gibt den “Widerruf” des vergangenen Leidens, die Gutmachung, die das Recht herstellt. Daher ist der Glaube an das Letzte Gericht zuallererst und zuallermeist Hoffnung – die Hoffnung, deren Notwendigkeit gerade im Streit der letzten Jahrhunderte deutlich geworden ist.

Korrektur: es ist die Hoffnung, nicht zu den armen Teufeln zu gehören, die die angedrohten Schrecken ereilt, falls sie sich beim letzten Gericht als untauglich erweisen. Angst ist abermals die Basis für die “Hoffnung”.

Ich bin überzeugt, daß die Frage der Gerechtigkeit das eigentliche, jedenfalls das stärkste Argument für den Glauben an das ewige Leben ist. Das bloß individuelle Bedürfnis nach einer Erfüllung, die uns in diesem Leben versagt ist, nach der Unsterblichkeit der Liebe, auf die wir warten, ist gewiß ein wichtiger Grund zu glauben, daß der Mensch auf Ewigkeit hin angelegt ist, aber nur im Verein mit der Unmöglichkeit, daß das Unrecht der Geschichte das letzte Wort sei, wird die Notwendigkeit des wiederkehrenden Christus und des neuen Lebens vollends einsichtig.

Einsichtig wird hier nur, daß es entweder eine Menge Skrupellosigkeit oder Schwachsinn braucht um das aus der Gesamtheit der verfügbaren Quellen zur christlichen Religion zu entnehmen. Skrupellosigkeit um die Gläubigen weiterhin unter seiner Knute zu halten oder Schwachsinn, weil man mit Logik zu solchen Aussagen nie käme.

44. Der Protest gegen Gott um der Gerechtigkeit willen ist nicht dienlich.

… der Kirche mit seinen Popen und Laien allemal nicht.

Eine Welt ohne Gott ist eine Welt ohne Hoffnung (Eph 2, 12).

Eine Welt mit dem “Gott Abrahams” ist eine Welt in Angst. Abgesehen davon bedürfen die Regelungen für aufmüpfige Kinder, Ehebrecher(innen), Homosexuelle und andere Minderheiten, welche in der Bibel immer wieder und an verschiedenen Stellen beschrieben werden keiner Auslegung. Sie waren, sind und werden menschenverachtend bleiben.

Nur Gott kann Gerechtigkeit schaffen. Und der Glaube gibt uns die Gewißheit: Er tut es.

Der Glaube gibt Gewißheit. Warum hängen dann gerade religiöse Menschen so sehr am Leben, wo sie doch die Gewißheit des jenseitigen Lebens haben müßten und entsprechend den Tod (oder “Übergang ins jenseitige Leben”) feiern sollten?

Das Bild des Letzten Gerichts ist zuallererst nicht ein Schreckbild, sondern Bild der Hoffnung, für uns vielleicht sogar das entscheidende Hoffnungsbild.

Och, das ist fies. Nun sind wir schon weitgehend durch und nun kommt endlich mal die Erwähnung des “Schreckbildes”. Hoffnung basierend auf Angst? Wie praktisch!

Aber ist es nicht doch auch ein Bild der Furcht?

Neeeeeeee. Niemals nicht! 😆

Ich würde sagen: ein Bild der Verantwortung. Ein Bild daher für jene Furcht, von der der heilige Hilarius sagt, daß all unsere Furcht in der Liebe ihren Ort hat. Gott ist Gerechtigkeit und schafft Gerechtigkeit. Das ist unser Trost und unsere Hoffnung. Aber in seiner Gerechtigkeit ist zugleich Gnade. Das wissen wir durch den Blick auf den gekreuzigten und auferstandenen Christus. Beides – Gerechtigkeit und Gnade – muß in seiner rechten inneren Verbindung gesehen werden. Die Gnade löscht die Gerechtigkeit nicht aus. Sie macht das Unrecht nicht zu Recht. Sie ist nicht ein Schwamm, der alles wegwischt, so daß am Ende dann eben doch alles gleichgültig wird, was einer auf Erden getan hat. Gegen eine solche Art von Himmel und von Gnade hat zum Beispiel Dostojewski in seinen Brüdern Karamasow mit Recht Protest eingelegt. Die Missetäter sitzen am Ende nicht neben den Opfern in gleicher Weise an der Tafel des ewigen Hochzeitsmahls, als ob nichts gewesen wäre.

… wäre ja auch Kommunismus. Nicht wahr?

Einerlei; auf den Rest zu antworten, ist mir dann doch etwas zu streßig. Immerhin muß man sich dabei durch ziemlich gewundene Sätze arbeiten, denen Logik meist nicht abzugewinnen ist.

// Oliver

PS: Die Enzyklika selbst findet sich in Gänze hier.

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